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Europäischer Tag der Justiz 2017

Thema: "Videotechnik im Zivilprozess in Deutschland und in Frankreich: Chancen und Risiko"

Einladung (Download, Format: PDF)

/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MJ/MJ/veranstaltungen/europaeischer_tag_der_justiz/etj_2018.pdf"Videotechnik im Zivilprozess in Deutschland und in Frankreich: Chancen und Risiko" war das Thema des  Europäischen Tages der Justiz 2017, der am 26. Oktober 2017, in Halle (Saale) stattgefunden hat.

Das Publikum setzte sich mehrheitlich aus der Richterschaft des Geschäftsbereiches der Justiz in Sachsen-Anhalt, Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren sowie Studierenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zusammen.

Europäisches Zivilprozessrecht kann spannend sein!

Zunächst begrüßte der stellvertretende Landgerichtspräsident Andreas Grimm die Anwesenden. Er griff den in der französischen Sprache gebräuchlichen Ausdruck für Gerichtsgebäude "Palais de Justice", also Justizpalast auf und unterstrich dann, dass dieser Begriff in Deutschland sehr selten verwendet werde, aber auf das Landgericht in Halle sicher zuträfe. Das bestätigten die Gäste aus Bourges gerne.

Anschließend erinnerte Justizstaatssekretär Hubert Böning in seinem Grußwort zunächst daran, dass die Ständigen Vertreter der Außenminister des Europarats entschieden hätten, gemeinsam mit der Europäischen Kommission einen Europäischen Tag der Ziviljustiz ins Leben zu rufen, der jährlich in zeitlicher Nähe zum 25. Oktober begangen wird, um den Bürgerinnen und Bürgern die Ziviljustiz nahe zu bringen. Dann griff er das Tagungsthema auf, führte kurz ein und freute sich, dass hochrangige Experten aus der Europäischen Kommission, aus seinem Haus und vom Landgericht Leipzig gewonnen werden konnten. Er bekannte, dass die Videokonferenznutzung in Sachsen-Anhalt ausbaufähig wäre.

Herr Präsident des Oberlandesgerichts Dr. Uwe Wegehaupt schloss mit seinem Grußwort an und erinnerte an die vorangegangenen wechselseitigen Besuche von Richterinnen und Richtern aus Bourges und Sachsen-Anhalt in den jeweiligen Partnerstädten. Er betonte das erhebliche Interesse der Partner daran, mehr über den rechtlichen Rahmen und den Stand des Einsatzes digitaler Technik im jeweils anderen Land zu erfahren.

Frau Präsidentin des Oberlandesgerichts Bourges Mauricette Danchaud unterstrich in ihrem Grußwort die Wichtigkeit des Austausches und begrüßte ausdrücklich, dass anlässlich des Europäischen Tags der Justiz die Gerichtspartnerschaft zwischen den Regionen Centre und Sachsen-Anhalt wieder verstärkt worden wäre. Sie bedankte sich für die Einladung und betonte die vielfältigen Arbeiten seit einigen Jahren in Frankreich zur Nutzbarmachung der neuen Technologien für die Justiz, über die die beiden weiteren Mitglieder der Delegation des Oberlandesgerichts Bourges zu berichten haben.

Nach der Begrüßung und den Grußworten wurden die Zuschauerinnen und Zuschauer Zeugen eines ersten offiziellen Einsatzes der Videokonferenzanlage im Landgericht Halle. Der erste Fachvortrag wurde - thematisch und praktisch passend - aus der Europäischen Kommission in Brüssel übertragen. Herr Pál-Lajos Szirányi, nationaler Experte (END) in der Generaldirektion Justiz aus Ungarn, informierte in guter Bild- und Tonqualität über die laufenden Arbeiten zur Modernisierung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001, die sogenannte Beweisaufnahmeverordnung.

Die Europäische Kommission hat in ihrem Arbeitsprogramm 2018 Überarbeitungen unter anderem der Beweisaufnahmeverordnung angekündigt. Herr Szirányi führte aus, dass der Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel zwischen ersuchenden und ersuchten Gerichten bisher nur ausnahmsweise erfolge. Er verwies auf die unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen in den Mitgliedstaaten wie unterschiedliche Verfahrensordnungen und unterschiedliche elektronische Authentifizierungssysteme ohne gleichmäßiges Sicherheitsniveau.

Im Anschluss daran gaben die Mitglieder der französischen Delegation aus Bourges - Präsidentin des Oberlandesgerichts Mauricette Danchaud, Vorsitzender des Ersten Zivilsenats des Oberlandesgerichts Jean Yves Foulquier und der Präsident des Landgerichts  Yannick Gressot - einen Überblick über die Ende 2016 beschlossene Reform „Justice21“ in Frankreich.

Ein Schwerpunkt ist dabei die Scheidung ohne Gerichtsentscheidung gewesen; ein weiterer die Förderung der alternativen Streitbeilegung. In Frankreich gibt es gute Erfahrungen mit dem Einsatz der digitalen Technik im gesamten Zivilprozess und zur Beweisaufnahme unter Zuhilfenahme der Videokonferenztechnik. Die zahlreichen vorgetragenen Anwendungsbeispiele illustrierten, wie selbstverständlich der Einsatz der neuen Technologie in Frankreich ist.

Nicht reisefähige, kranke oder minderjährige Zeugen werden per Videokonferenz vernommen; dies gilt auch für Sachverständige. Neben der Zivilgerichtsbarkeit werden die neuen Technologien auch in der Strafgerichtsbarkeit verwendet. Sie gingen auch auf den Schutz der Bürgerinnen und Bürger ein, der zum einen durch umfangreiche, sicherheitsgeprüfte Technik gewährleistet sei. Zum anderen müssten die Betroffenen dem Einsatz der Videokonferenztechnik vorher zustimmen.

Nach einer Kaffeepause verschaffte Ministerialrat Niels Corcilius, Referatsleiter im Ministerium für Justiz und Gleichstellung, den Zuhörerinnen und Zuhörern einen detaillierten Überblick über den deutschen Rechtsrahmen für den Einsatz von Videokonferenztechnologie im Zivilprozess. Er sah einen der Hauptvorteile in der Ersparnis von Zeit und Reisekosten. Dies sei besonders bei Sachverständigen der Fall. Hier trafen sich französische Erfahrungen mit deutschen Prognosen.

Abschließend berichteten der Vorsitzende Richter am Oberlandgericht Volker Sander und die Richterin am Landgericht Leipzig Franziska Hertzsch von einem praktischen deutschen Beispiel in der Strafgerichtsbarkeit zum Einsatz von Videokonferenztechnik in einem Untreueprozess gegen die sächsische Landesbank und ihrer irischen Tochtergesellschaft am Landgericht Leipzig.

Durch die mit langem Beifall bedachte Veranstaltung führte der Vorsitzende Richter am Landgericht Wolfgang Ehm.

Fotogalerie des Europäischen Tages der Justiz 2017