Pressemitteilungen des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz
Freispruch in den Tod ? Der Fall Maximilian Schmidt aus Köthen
22.09.2016, Magdeburg – 29
- Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz
Köthen (MJ). Im Rahmen des
Begleitprogramms zur Ausstellung ?Justiz im Nationalsozialismus. Über
Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes? stellt der Historiker Michael Viebig im
Amtsgericht Köthen einen ungewöhnlichen Justizfall aus dem Jahr 1940 vor:
?Freispruch in den Tod? ? Das Sondergericht
Halle gegen
Maximilian Schmidt aus Köthen
Der
Vortrag findet statt am
Dienstag, 27.
September 2016, 17:30 Uhr, im Amtsgericht Köthen,
Friedhofstr. 48
Während der Rechtsstaat Angeklagte mit
psychischen Erkrankungen von Bestrafung ausnimmt, konnte genau dieser Umstand
im ?Dritten Reich? den Tod bedeuten. Menschen, die sich im Laufe ihres Lebens
irgendwann einmal in psychiatrischer Behandlung befunden hatten, waren einer
besonderen Gefährdung ausgesetzt.
Angeklagt wegen einer Reihe kleinerer
Betrügereien, galt der Kaufmann Maximilian Schmidt (1907-1941), der sich seit
Herbst 1939 in Köthen aufgehalten hatte, wegen einer seit mehr als zehn Jahren
voranschreitenden ?Gehirnparalyse? als ?erheblich vermindert zurechnungsfähig?.
Das Sondergericht Halle musste ihn daher im Frühjahr 1940 freisprechen. Weil
seine ?Neigung zu Hochstapeleien? ? wie u.a. das Tragen eines NSDAP-Abzeichens
bei einigen seiner Taten ausgelegt wurde ? ?eine ständige Gefahr für die
öffentliche Sicherheit sein? würde, ordnete das Gericht jedoch die Unterbringung
Schmidts in einer Heilanstalt an. Dessen Direktor ließ ihn in der Nacht vom 4.
auf den 5. Juni 1941 gemeinsam mit anderen zur Tötung bestimmten Patienten ?in
eine andere Anstalt? verlegen. Wenige Stunden nach Eintreffen des Transports
starb Maximilian Schmidt in der Gaskammer von Bernburg.
Der Vortrag zeigt die Verzahnung von
nationalsozialistischer Justiz, deren Sondergerichte mit Kriegsbeginn
?Volksschädlinge? wie Max Schmidt ?auszumerzen? hatten, mit dem System der
sogenannten Euthanasie, das die Ermordung Kranker und Behinderter beinhaltete.
Schmidt war der erste Fall überhaupt, bei dem die Strafjustiz die Tötungsmöglichkeiten
der Euthanasie benutzte. Weitere Fälle sollten folgen
Michael Viebig ist seit mehr als 20 Jahren in
der Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale) für die Forschung und Dokumentation
zur NS-Justiz auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt zuständig
und seit März dieses Jahres auch Leiter der Gedenkstätte. Er ist darüber hinaus
für die Gesamtorganisation der momentan in Köthen gezeigten Wanderausstellung
zur NS-Justiz verantwortlich. Die Ausstellung setzt sich auch mit
der Justizgeschichte in Köthen und der Region auseinander und ist noch bis zum 21.
Oktober während der Gerichtsöffnungszeiten zu sehen.
Nähere Informationen
unter www.mj.sachsen-anhalt.de.
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